BMG-Tagung 2024 Rettenbach

BMG-Tagung 2024 Rettenbach

Lange schon plante die Vorstandschaft der BMG, eine Tagung in Rettenbach am Auerberg durchzuführen, denn schließlich wollten viele Mitglieder der BMG den Ort kennenlernen, an dem sich seit einigen Jahren unsere Geschäftsstelle befindet. Mit der Weichberghalle, die ihren Namen seinem Hausberg (der entgegen dem Ortsnamen nicht der Auerberg ist) verdankt, waren wunderbare Räumlichkeiten für die Tagung gefunden, die rundum allen Ansprüchen der über 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer genügte. Es war ausreichend Platz für die Mikroskopierplätze, die alle im gleichen Raum unterkamen. Da dadurch ein direkter Austausch auf kürzestem Weg möglich war, konnten alle sehr effektiv zusammenarbeiten. Auch die direkt neben den Mikroskopierplätzen aufgebauten Tische für die Fundbesprechungen erleichterten die gemeinsame Bestimmungsarbeit. 

Rettenbach am Auerberg

Im Rahmen der Eröffnung der Tagung begrüßte Bürgermeister Reiner Friedl die Gäste aus der ganzen Republik und dem angrenzenden Ausland und nutzte die Gelegenheit, um die Gemeinde Rettenbach vorzustellen. Im Mittelpunkt der Bemühungen der Gemeindeverwaltung stehen vor allem Nachhaltigkeit durch die Nutzung regenerativer Energien, der Schutz der einzigartigen Natur und das Wohl der Bewohner. Vor allem Landwirtschaft, Handwerk und sanfter Tourismus prägen die Region und tragen zur regionalen Wertschöpfung bei. Rettenbach ist umgeben von abwechslungsreicher Natur. Die sanften Hügel und saftigen Wiesen bieten einen beeindruckenden Blick auf die Alpen, die besonders bei klarer Sicht majestätisch in der Ferne thronen. Rund um den Auerberg erstrecken sich idyllische Wälder und zahlreiche Wanderwege, die zum Erkunden und Genießen einladen. Kleine Bäche und Seen, wie der nah gelegene Forggensee, bereichern die Landschaft und schaffen perfekte Bedingungen für Spaziergänge, Radfahren und Entspannen in der Natur. Die Ruhe und Ursprünglichkeit der Umgebung machen Rettenbach zu einem idealen Ziel für Naturliebhaber. Aber auch Pilzbegeisterte kommen hier auf ihre Kosten.

Landschaft und Gelände im Pfaffenwinkel

Die Umgebung von Rettenbach ist geologisch besonders vielfältig und überwiegend durch die letzte Eiszeit geprägt. Das Abschmelzen der Gletscher hinterließ Moränenlandschaften, die aus Lehm, Ton, Sand und Kies bestehen.

Die Höhenlagen des Auerbergs sind oft durch den kalkreichen Untergrund geprägt. Diese Böden sind locker und gut durchlüftet. In den tiefergelegenen Wäldern und Wiesen dominieren Braunerde und Parabraunerde, die aus den Ablagerungen der Moränen entstanden sind. Diese Böden sind nährstoffreich und begünstigen eine hohe Artenvielfalt, sowohl bei Pflanzen wie auch bei Pilzen. Die feuchteren Gebiete entlang kleiner Bäche und Senken sind oft durch Gley- und Pseudogleyböden gekennzeichnet, die aufgrund ihrer Wasserstauung eine ganz eigene Pilzflora fördern, darunter viele feuchtigkeitsliebende Arten.

Treffpunkt an der Wieskirche

Die Wieskirche, ein UNESCO-Weltkulturerbe unweit von Rettenbach am Auerberg, ist bekannt für ihre nahegelegene Moorlandschaft mit einem ganz besonderen Lebensraum, dem Wiesmoos. Dieses Niedermoor ist durch die Entwässerung und Verlandung einstiger Seen entstanden. Es hat sich über Jahrtausende entwickelt, indem sich Pflanzenreste in den wassergesättigten Böden unter Sauerstoffabschluss nur unvollständig zersetzten und Torf bildeten. Die Böden im Wiesmoos bestehen aus sehr nährstoffarmen Torfschichten und bieten einen einzigartigen Lebensraum für spezialisierte Pilzarten, die sich an extreme Bedingungen angepasst haben. Aber nicht nur Pilze, sondern auch charakteristische Moorpflanzen wie verschiedene Orchideen begeisterten die Tagungsteilnehmer.

Exkursionsgebiete

Im Rahmen der Begrüßung stelle Christoph Wamser die ausgewählten Exkursionsgebiete vor. Am ersten Tag ging es in die Nähe von Roßhaupten nördlich des Forggensees in den Sulzschneider Forst. Hier erwarteten die Teilnehmer Fichtenwälder und einige Douglasien mit moorigen Bereichen, aber auch Braunerden über Schluff- und Lehmkies. Im benachbarten „Senkele“ finden sich Fichten und Buchen auf einem weiten Bodenspektrum.

Aber auch weiter im Süden wurden die Wälder erkundet: Auf dem Plan stand am Folgetag Pfronten mit dem Alatsee, die Mischwälder rund um Füssen und die dortigen Lechauen, einem Auwald und Schwemmgebiet. Mit besonderer Spannung war die abschließende Exkursion ins Naturschutzgebiet der Moore um die Wieskirche erwartet worden. Aber auch das Vorgfäll mit seinem Nadelwald auf Braunerden und das Gfäll, einem feuchten steilen Bergwald mit moorigen Anteilen und seinen unzähligen Wassergräben wurden von den Teilnehmern gern besucht.

Abendliche Fundbesprechung mit Christoph Hahn

Besprechung der Russula mit dem Experten Werner Jurkeit

Kunstausstellung „Theatrum fungorum“

Als besonderes Schmankerl stellte Pilzberaterin Elfriede Kellnhofer aus Furth im Wald im Rahmen der Tagung einige ihrer Werke vor und die Teilnehmer der Tagung freuten sich, dass die großen gerahmten Fotografien die Weichberghalle schmückten. Auf der Suche nach besonderen Formen und grafischen Mustern geht die Künstlerin gern auf Entdeckertour mit ihrer Kamera und setzt mit viel Phantasie Pilze ganz neu in Szene. Besondere Ausschnitte und gewagte Farbspiele rücken die Pilze in ein ganz neues und faszinierendes Licht. „Ich möchte damit die Aufmerksamkeit der Betrachter für die Schönheit und damit auch für die Bedeutung dieser faszinierenden Geschöpfe stärker wecken“ erzählt Elfriede Kellnhofer. Durch den Ausstellungstitel „Theatrum fungorum“ zeigt sie uns, dass Pilze großes Theater machen können: „Sie bleiben geheimnisvoll, totbringend und heilend, haben fantastische Formen, bunteste Farben, unverschämte oder zarte Gerüche und blieben in ihrem Erscheinen unberechenbar.“

Pilzausstellung mit Beratungen ein großer Erfolg

Auch in diesem Jahr wurde aus den gesammelten Pilzen eine große Pilzausstellung aufgebaut. Am abschließenden Sonntag nutzte man den Balkon der Weichberghalle, um den Artenreichtum der Region zu zeigen. Die Öffentlichkeit war eingeladen, die gefundenen Prachtstücke zu bestaunen. Viele der Besucher konnten sich erst nach mehreren Stunden von den prächtigen Exponaten trennen und lernten viel Neues über das Reich der Pilze. Ein Renner bei den Einheimischen waren die angebotenen Pilzberatungen. So kamen viele Besucher mit ihren Körben voller Pilze, die sie zum Teil gut kannten, aber auch gerne neu kennen lernen wollten. Thomas Zick, der viele Beratungen durchführte, musste aber auch einige giftige Pilze aussortieren und erklärte den Besuchern, worauf sie achten sollten, damit sich kein giftiger Pilz in den Korb schlich. „Es war ein riesiger Besucherandrang, den wir hier verzeichnen konnten“, freut sich der Vizepräsident der BMG über die etwa 200 Interessierten, die den Weg in die Weichberghalle gefunden hatten. Für ihn sind die an diesem einzigen Tag knapp 20 durchgeführten Pilzberatungen ein deutliches Zeichen, dass viel Informationsbedarf bei der Bevölkerung besteht und wie wichtig die Arbeit der BMG und der Pilzvereine vor Ort ist.

Informationsprogramm am Samstag

Ein Tag der Tagung ist traditionsgemäß der gemeinsamen Fortbildung gewidmet. Neben Neuigkeiten über Vergiftungsfälle und dem Erfahrungsaustausch der Pilzberater berichtete Helmut Zitzmann über das Finden und Bestimmen alpiner Pilze, Dr. Ludwig Beenken begeisterte mit seinen faszinierenden Neuigkeiten von phytopathogenen Pilzen. Christoph Wamser stellte ausgewählte Funde der letzten Bayerischen Mykologischen Tagung vor mit ausgewählten Raritäten, deren makroskopischen Merkmale und Habitatsbeschreibungen.

Von aussterbenden Pilzen und den damit verbundenen Problemen für Pilz und Mensch berichtete Rudi Markones. Er stellte mit Fotografien von eigenen bayerischen Funden insgesamt 60 der nach der Roten Liste Bayern vom Aussterben bedrohten Pilze. Er stellte aber auch eine vermeintlich schon ausgestorbene Art vor, die er selbst wieder entdeckt hat, sowie Neufunde von kürzlich im Ausland neu beschriebenen Arten, z.B. Chalciporus pseudopiperatus. Eine Bereicherung für den Zuhörer waren seine persönlichen Erfahrungen der letzten 50 Jahre und seine Bewertungen zu den RL-Einstufungen.

Mit besonderer Spannung wurde der Bericht von Dr. Alexander Urban und Dr. Christoph Hahn erwartet, die über die großen Pläne gemeinsamen Pläne mit dem Landesbund für Vogelschutz berichteten. Zurzeit läuft die Ausarbeitung eines Projektantrags beim Bayerischen Naturschutzfonds, der den Pilzschutz in Bayern vorantreiben soll. Geplant sind unter anderem Artenhilfsprojekte, also die konkrete Verbesserung von Vorkommen ausgewählter extrem seltener und schutzwürdiger, heimischer Arten. Zudem soll die Qualität von Offenlandflächen mit Hilfe des sogenannten CHEG-Systems etabliert und kalibriert werden. Dieses System ist z.B. in Skandinavien und auf den Britischen Inseln seit langem in Gebrauch. Hierbei wird die Qualität einer Wiese anstatt über die vorkommenden Gefäßpflanzen durch den Artenreichtum der Clavaricaceae (inklusive der lamellentragenden Gattungen wie Dermoloma oder Hodophilus), der Saftlinge im weitesten Sinn (Hygrocybe s.l.), der Rötlinge (Gattung Entoloma) und der Erdzungen im weitesten Sinn (Geoglossaceae s.l.) definiert. Bodenprobensequenzierung soll die Fruchtkörperbeobachtungen mit den im Boden potenziell vorkommenden Myzelien abgleichen.

Im Rahmen des Projekts soll auch eine Handreichung für den praktischen Naturschutz erarbeitet werden. Angedacht ist eine Art Atlas der Zeigerpilze Bayerns. Um die Öffentlichkeit mit einzubeziehen ist auch ein Citizen Science-Projekt geplant, das sich mit Spechthöhlen und Großporlingen befassen soll.

Die erste Koordination und die Ausarbeitung des Projektantrags hat Dr. Alexander Urban (Universität Wien) übernommen. Ralph Hotzy (LBV) und Dr. Christoph Hahn (BMG) wirken hierbei helfend mit. Mit Prof. Dr. Christian Wurzbacher (TU München) konnte dankenswerterweise als ehrenamtlich tätiger Experte für das Gesamtprojekt gefunden werden.

Besondere Funde

Einige besondere Funde im Rahmen dieser Tagung sollen hier erwähnt werden:       

  • Microstrobilinia castrans, Kleiner Zapfenkastrierer (Fund von Ludwig Beenken auf Serbischer Fichte im Garten seiner Unterkunft in Rettenbach; Beenken ist zugleich der Erstbeschreiber für diesen Pilz in 2023).
  • Giacomia mirabilis (früher Leucopaxillus mirabilis), Dunkler Krempentrichterling (Fund von Jürgen Sommerfeld),
  • Limacella illinita, Glänzender Schleimschirmling (Fund von Rudi Markones; RLB 1 vom Aussterben bedroht) Hut und Stiel weiß bis hellocker, von dicker Schleimschicht überzogen. Fleisch weiß, Geruch ranzig, Geschmack mehlig, mild. Sporen rundlich, glatt bis fein punktiert, 4-5,5ym.
Microstrobilinia castrans, gefunden von ….
(Bilder: Renate Schöber)

…. Ludwig Beenken an Serbischer Fichte

Mobiles Sequenziergerät

Als besonderes Highlight hatte Christian Wurzbacher ein mobiles Sequenziergerät dabei. Nach einer kurzen Schulung konnten Interessierte die Proben bei Interesse selbst vorbereiten. Das forderte beim Pipettieren viel Konzentration, den Beteiligten machte es aber auch sehr großen Spaß. Auf diese Weise konnten beispielsweise alle Hydnum-Kollektionen der Tagung sequenziert werden und dadurch bislang kaum bekannte Arten wie Hydnum jussii oder Hydnum melitosarx nachgewiesen werden.

Rückblickend war die Tagung 2024 für alle Teilnehmer und auch das Organisationsteam ein großer Erfolg. Christoph Hahn, Präsident der BMG, und Organisationsleiter Thomas Zick wünschten allen Anwesenden eine gute Heimreise und freuen sich auf die Tagung 2025, die vom 1.-6. Oktober in Augsburg stattfinden wird.

Text/Bilder: Cornelia Euringer-Klose

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